Interview mit Daniel Sieber

Vita Daniel Sieber

  • 1990 – 1996 Studium der Architektur in Hannover
  • 1996 – 2002 ganzheitliche Büroplanung und Vertrieb bei einem Fachhändler, zuletzt Geschäftsführer des Unternehmens
  • 2002- 2008 Niederlassungsleiter eines internationalen Flagshipstores eines Schweizer Möbelherstellers in Berlin
  • 2008 – 2010 Mitglied der Geschäftsführung der Hungenberg Unternehmensberatung
  • seit 2010 geschäftsführender Gesellschafter bei der Hungenberg Sieber GmbH, Büroplanung und Projektmanagement

» IN DER NACHBETRACHTUNG FESTZUSTELLEN, DASS MAN MIT EINER FARBE EINEN TREND GESETZT HAT, DAS WÜRDE EINE GEWISSE DAUERHAFTIGKEIT BEINHALTEN.«    |Daniel Sieber|

Herr Sieber, tanzen Sie gerne Tangerine Tango? (Anmerkung der Redaktion: Tangerine Tango wurde von Pantone zur Trendfarbe 2012 gewählt.)

Oh, ein sehr schwieriges Thema, ich habe leider nie eine Tanzschule besucht… wir sollten lieber über Farben sprechen!

Tangerine Tango ist ein heller, kräftiger Rotton. Eignen sich Ihrer Meinung nach solche Trendfarben für den Einsatz im Büro. 
Grundsätzlich eignet sich fast jede Farbe im Büro, es kommt ganz darauf an, wie und wofür sie eingesetzt wird. Es ist daher nicht nur die Farbe im Trend, sondern vor allem auch die Art des Einsatzes. Wir betreuen gerade zwei Projekte mit Bestandsgebäuden aus den 60er und 70er Jahren – in einem Objekt sind die WCs komplett orange, in dem anderen ganz in grün. Beides sind Trendfarben ihrer Zeit, die auch heute wieder gern eingesetzt werden, dennoch wirken sie völlig veraltet. Vielleicht könnte man heute grundsätzlich die gleichen Farben verwenden, jedoch einfach anders als damals. Dennoch mag ich dieses Wort  »Trend« im Rahmen der Büroplanung eigentlich gar nicht.  »Trend« geht mit »Mode« einher, jedoch ist eine Büroeinrichtung zu dauerhaft, als dass man damit kurzfristige Trends setzen sollte, die eine so geringe Dauerhaftigkeit haben wie die Mode. Ebenso ist es fraglich, ob man den Mitarbeitern einen vergänglichen Trend zumuten sollte, den man vielleicht schnell bereut. Ähnlich wie bei den Begriff »Klassiker« bei Möbeln, die diesen Titel ernstzunehmend erst Jahrzehnte nach ihrer Markteinführung erlangen, ist es daher eher erstrebenswert, in der Nachbetrachtung festzustellen, dass man mit einer Farbe einen Trend gesetzt hat, das würde eine gewisse Dauerhaftigkeit beinhalten.

Was können Sie aus Ihrer Erfahrung heraus sagen – welche Rolle spielt Farbe heutzutage in der Büroplanung?
Natürlich spielt der Einsatz von Farben in der Büroplanung eine große Rolle, dabei darf dieser Einsatz keineswegs auf die Gestaltung beschränkt werden. Farben sind häufig ein wichtiger Bestandteil des Leit- und Orientierungssystems. Darüber hinaus tragen Sie zur Identität und zur Schaffung verschiedener Atmosphären bei. Wenn es um die Frage des Wohlfühlens und der Behaglichkeit am Arbeitsplatz geht, dann ist die Farbe ein wichtiger Bestandteil der notwendigen Parameter. Die Farbe ist dabei aber eben nur ein Parameter, wichtig hierbei ist auch das Zusammenspiel von Farbe, Licht und Akustik. Ebenso ist die Farbe auch im Zusammenhang mit der Materialwahl zu betrachten. Ein Fußboden kann braun sein, jedoch ist seine Farbwirkung eine ganz andere, ob das Braun einem Teppichboden oder einem Holzboden entstammt.

Hat sich die Einstellung zu Farben im Büro in den letzten Jahren verändert?
Auf jeden Fall hat sich da etwas verändert. Auch wenn ich mich gegen den »trendigen« Einsatz von Farben im Büro wehre, so lassen gerade die Farbtrends die Veränderungen erkennbar werden. Vor allem die Auseinandersetzung mit dem »wohnlichen«, der Bürolandschaft fern der Produktionsstätte, hat der Farbe ganz neuen Auftrieb gegeben. Zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn waren fast alle Büros, die ich zu planen hatte, bis dahin grau oder beige, maximal der Teppich  war blau und das Chefzimmer in Holz, eventuell gab es noch einen kleinen Farbakzent aus dem CI. Das ist heute anders.

Farbe wird bewusst eingesetzt, um unterschiedliche Atmosphären zu schaffen, Räume zu gliedern, Entspannung, Anregung oder Konzentration zu ermöglichen.

Natürlich gab es die Zeiten, in denen mit Farben sehr mutig umgegangen wurde, ebenso wie in meinem beschriebenen Beispiel der WC-Anlagen aus den 60er und 70er Jahren. Meine aktive Zeit begann jedoch später, als die Farbe sehr zurückgenommen wurde und mit dem Einzug des PCs der Arbeitsplatz als technische Einrichtung ebenso farblich dargestellt wurde.

Was würden Sie sagen, welche Aufgaben können Farben bei der Büroplanung übernehmen?
Im Grunde habe ich die Antworten bereits gegeben, vielleicht kann man den Einsatz von Farben mit drei Aufgaben beschreiben: 1. Die Farbe wird zur Orientierung eingesetzt, d.h. ein Farbkonzept kann Teil eines Orientierungssystems sein. Das wird nicht nur bei der Büroplanung häufig angewandt, man kennt dies auch von Tiefgaragen oder Krankenhäusern. 2. Farben können zur Strukturierung von Flächen beitragen. Durch den Einsatz von Farben können unterschiedliche Nutzungsbereiche ablesbar und erkennbar werden. Organisationen können dadurch innerhalb einer Fläche unterschieden werden, ebenso funktionale Trennungen vorgenommen werden, wie z.B. Arbeitsplatzflächen von Multifunktionsflächen. 3. Farben sind natürlich ein Gestaltungsmittel. Im Rahmen der Farb-Ergonomie sind sie ein wichtiger Baustein bei der Gestaltung der Arbeitsplätze. Ebenso bieten sie die Möglichkeit, den unterschiedlichen Funktionen einer Bürofläche die entsprechende Atmosphäre zu liefern, wie z. B. Lounge-Bereichen, Teeküchen, Kommunikationszonen usw.

Welche Parameter bestimmen die Farbauswahl für Büroräume?
Das kommt auf die Aufgabe an, die die Farbe erfüllen soll. Benötige ich Farben, um eine Orientierung im Gebäude zu erleichtern, dann wird man eher auf Farben zurückgreifen, die sich leicht unterscheiden lassen, die langlebig sind, die dadurch evtl. Bestandteil der Architektur sein können.

Möchte man Arbeitsräume mit Farbe gestalten, so ist dies auch immer eine Chance zur aktiven Einbindung der Mitarbeiter und zur Integration der Corporate Identity.

Selbstverständlich ist der Einsatz von Farbe auch abhängig von den Möglichkeiten, diese anzubringen. Wir betreuen eine Online-Firma, die in verglasten Büros arbeitet und kaum Stauraummöbel besitzt, da ist es schwierig, ein Farbkonzept erkennbar gestalterisch umzusetzen. Letztlich bestimmend für den Umfang, die Art und die Weise des Einsatzes von Farbe sind jedoch das Unternehmen und die Unternehmenskultur. Dabei ist das Ergebnis nicht umso bunter, je ausgeprägter eine Kultur gelebt wird, sondern umso konsequenter wird an einem nachhaltigen Farbkonzept gearbeitet, welches sich dann aber ebenso konsequent in einem Spektrum der Grautöne zwischen Schwarz und Weiß bewegen kann.

Was versteht man unter dem Begriff Farb-Ergonomie und warum ist sie wichtig?
Der Begriff der Ergonomie ist natürlich in der Büroplanung allgegenwärtig und das wichtigste Kriterium in der Produktauswahl. Hierbei beschreibt die Ergonomie meist banal mechanische Eigenschaften des Produktes, durch welche sich dieses Arbeitsmittel möglichst perfekt auf den Nutzer einstellen lässt. Ziel ist immer, die Produktivität zu steigern, die Kreativität und Motivation zu fördern und die Gesundheit zu erhalten. Die Farbe spielt in diesem Zusammenhang natürlich eine wichtige Rolle, wenngleich ihre Wirkung zwar verallgemeinert werden kann, letztlich jedoch sehr individuell ausfällt und mit persönlichen Erlebnissen verknüpft ist.

Eine verallgemeinerte Anwendung oder Beschreibung der Farb-Ergonomie ist deshalb kaum möglich.

In diesem Zusammenhang wird es auch dann ergonomisch, wenn man Störungen vermeidet. Ein zurückhaltender Farbeinsatz im direkten Arbeitsplatzbereich trägt daher vielleicht nicht aktiv zur Ergonomie bei, reduziert jedoch unter Umständen die permanente Störung durch eine dem Nutzer unangenehme Farbe im Sichtfeld. Solche Betrachtungen muss man gerade bei Planungen für große Unternehmen berücksichtigen, bei denen Standardarbeitsplätze entwickelt werden müssen. Diese Erkenntnis soll natürlich nicht dazu führen, dass man lieber auf Farben verzichtet, um Störungen zu vermeiden, sondern sich vielmehr genau überlegt, wo man welche Farbe einsetzt.

Welche Möglichkeiten gibt es, um Farbe ins Büro zu bringen?
Das ist in jedem Projekt eine Grundsatzfrage: Bringe ich Farbe über das Mobiliar oder die Architektur? Letztlich geht es um die Frage, wie ich zeitlos, dabei zeitgemäß aber auch zukunftssicher gestalten kann. Es werden also gerne die Elemente farbig gestaltet, die einfach verändert werden können, also z. B. Wandanstriche. Ebenso werden häufig Abdeckplatten oder Rückwände von Raumteilern und Organisationsebenen farbig gestaltet, da diese im Falle eines Farbwechsels leicht ausgetauscht werden können, aber ganz ehrlich, erlebt habe ich das noch nie. Das Problem taucht kaum auf, wenn es nicht um die eine Farbe geht, die sich durch die Planung zieht, sondern eher das Konzept der Farbigkeit umgesetzt wird. Hierbei können mutig verschiedene Farben an verschiedenen, auch dauerhaften Stellen umgesetzt werden, ohne Gefahr zu laufen, dass etwas »unmodern« wird.

Was würden Sie einem Unternehmen sagen, das plant, das Farb-Konzept der neuen Büroräume strikt der Corporate Identity unterzuordnen?
Sehr schwierig! Wenn man an die banalen Umsetzungen denkt, wo die Farbe des Firmenlogos an allen möglichen Stellen, leider in leicht unterschiedlichen Farbnuancen, immer wieder auftaucht, dann halte ich davon nicht viel. Wenn wir ebenso an die Farb-Ergonomie denken, dann hat die Farbe eines Firmenlogos psychologisch eine ganz andere Aufgabe als die Farbe im Büro.

Unbestritten fördert aber natürlich der Einzug der CI in die Bürolandschaft ungemein den Zugehörigkeitsgedanken.

Hierfür reicht jedoch auch ein wesentlich reduzierter Einsatz der Firmenfarbe  aus, als zuvor beschrieben. Meist kommt der Antrieb, das CI in die Planung zu übernehmen, eher aus dem scheinbaren Anspruch der Kunden. Ich stelle mir jedoch oft die Frage, ob ich als Kunde bei einer Firma mit z.B. grünem Logo und grünem Markenauftritt erwarte, dass auch die Büroräume vornehmlich diese Farbe erhalten? Für mich liegt eher nahe, dass ich in der Büroplanung die Markenwerte und die Firmenphilosophie wiederfinde. Also eine Marke, die sich jung, laut, bunt und schrill gibt, würde mich überzeugen, wenn sie in einer ebensolchen Bürolandschaft mit entsprechendem Farbkonzept erfolgreich arbeiten würde.

Wie farbig ist eigentlich das Büro, in dem Sie täglich sitzen und arbeiten?
Ich sitze fast jeden Tag in einem anderen Büro, daher ist die Frage schwer zu beantworten. Meist bin ich bei unseren Kunden und dort immer in den »alten« Büros, die es neu zu gestalten gilt. Ehrlich gesagt nehme ich die Farben dabei kaum wahr, schon eher die vernachlässigten Hydrokultur, über die ich irgendwann vielleicht ein Buch schreiben werde….
Häufig arbeite ich auch im ICE der Bahn, wo die Sitze blau sind. Bestimmt kein Zufall, schließlich ist Blau die Lieblingsfarbe der Deutschen!