Das war nicht immer so. In der berühmten paläontologischen Höhlenmalerei kommt sie beispielsweise nicht vor. Auch die Antike bringt ihr keine große Leidenschaft entgegen. Blau wird nicht mal als Farbe anerkannt. Nur Weiß, Rot und Schwarz haben den Status einer Farbe. Interessante Ausnahme: Das antike Ägypten. Dort gilt Blau als Glücksbringer im Jenseits. Davon zeugen die teils wunderschönen blau-grünen Grabbeigaben der Pharaonen. Im antiken Rom gilt Blau sogar als Farbe der Barbaren. Als die romanischen Sprachen ihre Farbbegriffe ausbilden, nehmen sie Anleihen bei germanischen und arabischer Sprache. So steht dann auch „blau“ als Pate für das französische „bleu“, das arabische „azraq“ für das italienische „azzurro“.
Ab dem hohen Mittelalter beginnt dann der Aufstieg der Farbe Blau. Der Himmel wird nun blau gemalt. Zuvor malen die Meister ihn meist in rot, schwarz, weiß oder gold. Verstärkt wird die Entwicklung durch den wachsenden Marienkult. Die Mutter Gottes residiert im Himmel und dieser ist nun blau in der bildenden Kunst. Die zunehmende Individualisierung, die für den westlichen Kulturkreis so charakteristisch ist, tut ein übriges. Die bisherigen Grundfarben weiß, rot und schwarz lassen sich nicht ausreichend gut kombinieren, um individuelle Präferenzen zu befriedigen. In der Folge erweitert sich das Farbspektrum auf 6 Farben. Nicht nur Blau, sondern auch Grün und Gelb profitieren davon.
Als ca. 1130 die erste gotische Kathedrale im französischen Saint-Denis entsteht, will der damalige Abt und Bauherr überall farbige Fenster einsetzen, um die Dunkelheit zu vertreiben. Und er setzt vor allem auf Blau. Von Saint-Denis verbreitet es sich über die Städt Le Mans und Vendôme bis hin nach Chartres (weltberühmtes „Chartres-Blau“). Die französischen Könige des Hochmittelalters übernehmen Blau als Herrschaftsfarbe und „adeln“ die Farbe dadurch noch stärker.
Die Nachfrage nach Blau befeuert auch die Wirtschaft. Vor allem das Färberwaid, aus dem Indigo gewonnen wird, sorgt für einen wirtschaftlichen Aufschwung in Regionen wie Thüringen, der Toskana oder der Picardie. Schwarzwälder Flößer exportieren Kobalt nach Holland, wo es zur Porzellanherstellung eingesetzt wird („Delfter Blau“).